1. Überblick

Unter sogenannter Tarifkonkurrenz versteht man eine Situation, in der mehrere unterschiedliche Tarifverträge oder Tarifvertragsteile theoretisch auf ein und denselben Arbeitnehmer anwendbar sind. Weil nach dem Grundsatz der Tarifeinheit jedoch eine abschließende Regelung durch eine Tarifregel erforderlich ist, stellt sich die Frage, welcher Tarifvertrag vorrangig anzuwenden ist. Die Bezeichnung Tarifkonkurrenz verdeutlicht daher sinnbildlich, dass mehrere Normen einander konkurrieren.

Eng verwandt, aber von der Tarifkonkurrenz zu unterscheiden, ist die sogenannte Tarifpluralität. Hier stellt sich die Frage, welcher Tarifvertrag auf einen Betrieb anzuwenden ist. Bei der Tarifpluralität sind nicht beide Tarifvertragsparteien, sondern lediglich der Arbeitgeber an unterschiedliche Tarifvertragsregelungen gebunden.

  1. Tarifkonkurrenz

2.1     Erscheinungsformen

Von Tarifkonkurrenz spricht man, wenn mindestens zwei Tarifverträge theoretisch auf einen einzelnen Sicherheitsmitarbeiter anzuwenden wären. Ein solcher Fall kann durch verschiedene Ursachen entstehen. Dazu drei Beispiele:

  1. Der Arbeitgeber ist Mitglied eines Arbeitgeberverbandes in der Sicherheitsbranche. Danach ist er an die Bestimmungen eines Verbandstarifvertrages gebunden. Der Sicherheitsmitarbeiter ist Mitglied einer Gewerkschaft. Der Arbeitgeber hatte mit derselben Gewerkschaft zuvor einen Haustarifvertrag abgeschlossen.
  2. Der Arbeitgeber wechselte von einem Arbeitgeberverband in einen anderen Arbeitgeberverband. Aufgrund von § 3 Abs. 1, 3 Tarifvertragsgesetz (TVG) ist der Arbeitgeber sowohl an den alten als auch an den neuen Tarifvertrag gebunden.
  3. Ein flächendeckend anwendbarer Tarifvertrag wurde vom Arbeitsministerium für allgemeinverbindlich erklärt. Neben den allgemeinverbindlichen Regeln ist das Sicherheitsunternehmen zugleich an einen Haustarifvertrag gebunden.

2.2     Lösungsansätze

Um Widersprüche und Unklarheiten infolge unterschiedlicher Regeln für denselben Sachverhalt zu vermeiden, hat das Bundesarbeitsgericht einen Lösungsansatz entwickelt. Es soll ein Tarifvertrag vorrangig Anwendung finden. Der Vorzug ist demjenigen Tarifvertrag zu gewähren, der die größte Sachnähe zu der konkret ausgeübten Sicherheitstätigkeit auswirkt. Die Sachnähe wird nach ständiger Rechtsprechung danach beurteilt, welcher Tarifvertrag den betrieblichen Anforderungen und Eigenheiten am besten entspricht. Also sowohl räumlich, betrieblich, fachlich als auch persönlich am nächsten zum Sicherheitsmitarbeiter steht.

  1. Tarifpluralität

Eine Tarifpluralität wird auch als Tarifmehrheit bezeichnet. Anders als in den Fällen unter Ziffer 2. sind nicht sowohl Arbeitgeber als auch Sicherheitsmitarbeiter an mehrere Tarifverträge gebunden. Bei der Tarifpluralität stellt sich lediglich die Frage, welchen Tarifvertrag der Sicherheitsunternehmer vorrangig beachten muss.

Bis ins Jahr 2010 löste der BAG derartige Fälle nach dem Prinzip der Tarifeinheit. Hier sollte der sachnähere Vertrag (siehe oben) primär anzuwenden sein. Allerdings trat zum 10.07.2015 das sogenannte Tarifeinheitsgesetz in Kraft.

Im Tarifeinheitsgesetz ist Tarifpluralität folgendermaßen definiert:

  1. der Arbeitgeber ist mit mehreren unterschiedlichen Gewerkschaften an mehrere Tarifverträge gebunden
  2. die Geltungsbereiche dieser Tarifverträge überschneiden sich vollständig oder zumindest teilweise
  3. die Tarifnormen enthalten unterschiedliche Regelungen für denselben Sachverhalt

Nach § 4a Tarifeinheitsgesetz sind derartige Kollisionen nach dem Mehrheitsprinzip aufzulösen. Nachdem in einem Sicherheitsbetrieb ein Kollisionsfall festgestellt wurde, findet derjenige Tarifvertrag mit den meisten Betroffenen vorrangig Anwendung (Mitglieder der Mehrheitsgewerkschaft).

Siehe auch: