Hauptaussage

Die sogenannte Hemmschwellentheorie stammt aus dem Strafrecht und besagt, dass aus der Gefährlichkeit einer objektiven Handlung nicht unmittelbar ein subjektiver Tötungsvorsatz geschlossen werden kann (siehe BGHSt 7, 363 (369)).

Problematik

Die fahrlässige Tötung unterscheidet sich von der vorsätzlichen Tötung (insbesondere Mord und Totschlag) vor allem durch den Vorsatz. Der Vorsatz beschreibt die innere Einstellung des Täters zur Tat. Also, ob und inwieweit er die Tatumstände kannte und den Taterfolg herbeiführen wollte. 

Ob eine vorsätzliche oder fahrlässige Tötung vorliegt hat gewaltige Auswirkungen auf die Strafe: die fahrlässige Tötung führt gemäß § 222 StGB zu maximal fünf Jahren, Mord nach § 211 Abs. 1 StGB zu einer zwingend lebenslangen Freiheitsstrafe!

Problematisch ist, dass diese wichtige Unterscheidung anhand von Tatsachen getroffen werden muss, die sich im Inneren des Täters abspielt. Da man ihm gewissermaßen nicht „in den Kopf schauen“ kann, muss auf einen etwaigen Vorsatz anhand äußerer Umstände geschlossen werden. 

Grundgedanke der Theorie

Allgemein geht man davon aus: je gefährlicher eine Handlung ist, umso wahrscheinlicher ist davon auszugehen, dass der Täter sich dieser Gefährlichkeit bewusst war und den deliktischen Erfolg zumindest in Kauf nahm. Wer den Erfolg für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, handelt mit Eventualvorsatz. Dieses Prinzip wird nun durch die Hemmschwellentheorie im Zusammenhang mit Tötungsdelikten modifiziert: 

Die Tötung eines anderen Menschen stellt die denkbar intensivste Verletzung von Rechtsgütern dar. Der Täter müsse daher eine gewisse Hemmschwelle überwinden. Folglich stellte die Gefährlichkeit der Handlung nur ein Indiz dar. Sie erlaube keinen unmittelbaren Schluss auf den Tötungsvorsatz.

In der jüngsten Entwicklung der Rechtsprechung des BGH wird von der Theorie zunehmend Abstand genommen (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2017).