1. Kurzerklärung

Unter Arbeitszeit versteht man den Zeitraum, in dem ein Arbeitnehmer im Sinne von § 611a Abs. 1 BGB seiner vertragsgemäßen Tätigkeit nachgeht. Die zeitliche Dauer der Ruhepausen wird nicht mitgezählt. Die zulässige Höchstdauer sowie Messung der Arbeitszeit wird durch das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) sowie Rechtsprechung der Arbeitsgerichtsbarkeit gestaltet.

 

2. Anwendbarkeit des Arbeitszeitgesetzes

Das ArbZG ist nicht auf sämtliche Wachdienstleistungen anzuwenden. Das Schutzgesetz gilt nur innerhalb von Arbeitsverhältnissen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, § 611a Abs. 1 BGB. Also, wenn eine Sicherheitskraft weisungsgebunden, fremdbestimmt und in persönlicher Abhängigkeit eine Bewachungsdienstleistung erbringt. Anders sieht es etwa bei freiberuflich tätigen Sicherheitsmitarbeitern aus. 

Eine selbstständige Sicherheitskraft kann theoretisch jederzeit und nach beliebiger Länge Wachdienstleistungen erbringen, ohne dabei das Gebot der Sonn- und Feiertagsruhe, Mindestanforderungen an Ruhezeiten und Ruhepausen oder Begrenzungen zulässiger Arbeitszeit beachten zu müssen. Die folgenden Erläuterungen gelten also lediglich für angestellte Sicherheitsmitarbeiter.

3. Bestimmungen zur Arbeitszeit

3.1 Abgrenzung Bereitschaftszeit

Nicht jede dem Arbeitgeber zugewandte Tätigkeit wird bereits als Arbeitszeit verbucht. Davon abzugrenzen ist zum Beispiel Bereitschaftsdienst. Im Unterschied zur Vollarbeit erklärt sich der angestellte Sicherheitsmitarbeiter dort lediglich bereit, auf Abruf einer Sicherheitsdienstleistung nachzugehen (siehe hierzu Artikel Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst).

 

3.2 Umkleidezeiten und Wegezeit

Ebenso werden Umkleidezeiten und Wegezeiten, also die An- und Abreise vom Arbeitsort, grundsätzlich nicht berücksichtigt. In Ausnahmefällen kann sich jedoch etwas anderes ergeben. Ist zum Beispiel das Tragen einer bestimmten Kleidung verbindlich vorgesehen, so gilt das Umkleiden als Arbeitszeit. Dies ist etwa der Fall, wenn Sicherheitskräfte zu ihrer eigenen Sicherheit dazu verpflichtet sind, Persönliche Schutzausstattung (PSA) zu verwenden. Dasselbe gilt, wenn die Umkleide zu fremdnützigen Zwecken erfolgt. Beispielsweise zur Verwirklichung eines Hygienekonzeptes, um Ansteckungen anderer Mitarbeiter zu verhindern. Ferner kann zugunsten von Arbeitnehmern abweichend vom Gesetz verabredet werden, dass Wegezeiten als Arbeitszeit entlohnt werden.

 

3.3 Raucherpausen

Einen Anspruch auf „Raucherpausen“ kennt das ArbZG nicht. Umgekehrt beginnt eine Ruhepause nach § 4 S. 2 ArbZG erst ab einer Dauer von 15 Minuten. Wer also beispielsweise lediglich fünf Minuten „vor die Tür geht“, macht keine Pause im Sinne des Gesetzes. Folglich wird die Raucherpause grundsätzlich als Arbeitszeit erfasst. 

Allerdings kann der Wachunternehmer von seinen Sicherheitsmitarbeitern verlangen, sich während der Zigarettenpause auszutragen und die ferngebliebene Zeit nachzuholen. Dieses Verlangen muss allerdings kund gegeben. Der Arbeitgeber verliert nach einem Urteil es LAG Nürnberg, Urt.v. 05.08.2015 – 2 Sa 132/15 dieses Recht auch nicht, wenn er es erst nach einiger Zeit während der Beschäftigungsdauer erstmalig geltend macht.

3.4 Grundsatz des  Acht-Stunden-Tages

Zum Schutze der Beschäftigten dürfen Arbeitszeiten nicht in beliebiger Länge vereinbart werden. Um die körperliche und seelische Regeneration zu ermöglichen, darf an einem Arbeitstag regelmäßig nicht länger als acht Stunden gearbeitet werden, § 3 S. 1 ArbZG.

§ 3 ArbZG begründet ein gesetzliches Beschäftigungsverbot. In Abweichung zu S. 1 sieht § 3 S. 2 ArbZG vor, dass die Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden täglich erweitert werden kann, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden. Zu den Werktagen zählt auch Samstag. Mit anderen Worten geht das Gesetz von einer sechstägigen Arbeitswoche aus. Dies führt dazu, dass Schichtmodelle, welche von Montag bis Freitag eine 9,6-stündige Arbeitszeit vorsehen, mit dem Beschäftigungsverbot vereinbar sind. 

Im Übrigen gelten Sonderregeln für Jugendliche, schwangere oder stillende Mütter und Schwerbehinderte. Danach sind verschärfte Begrenzungen vorgesehen, um dem besonderen Schutzbedürfnis dieser Gruppen gerecht zu werden. Bei Verstößen drohen allgemein Bußgelder, Freiheits- oder Geldstrafen gemäß §§ 22 Abs. 1, 23 Abs. 1 ArbZG.

3.5 Abweichungen durch Tarifvertrag

Gemäß § 7 ArbZG kann von den Regulierungen in § 3 ArbZG via tariflicher Vereinbarung abgewichen werden. Danach sind zum Beispiel in der Sicherheitsbranche Arbeitszeiten von bis zu 12 Stunden möglich und auch verbreitet. So sieht beispielsweise § 6 Nr. 1.1. S. 2 Bundes-Manteltarifvertrag für Sicherheitsdienstleistungen vom 30.08.2011 (BMTV) vor, dass einzelne Schichten eine Dauer von zehn Stunden überschreiten dürfen. Demgemäß sind monatlich bis zu 228 Stunden Arbeitszeit zulässig.

Eine Tarifvereinbarung unterliegt generell strengen Voraussetzungen. Die tariflichen Regeln müssen auf das konkrete Beschäftigungsverhältnis überhaupt anwendbar sein. Das kann sich bei fehlender Allgemeinverbindlichkeit entweder aus der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Betrieb oder einer Gewerkschaft ergeben. Und zum anderen kann die Anwendbarkeit einzelvertraglich durch eine sogenannte Bezugnahmeklausel  hergestellt werden. Das heißt, Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbaren in ihrem Arbeitsvertrag, dass eine bestimmte tarifliche Regel, zum Beispiel § 6 Nr. 1.1. S. 2 Bundes-Manteltarifvertrag, auf das zugrunde liegende Arbeitsverhältnis Anwendung finden soll.

3.6 Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates

Nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) steht Betriebsräten ein umfangreiches Mitbestimmungsrecht bei der Gestaltung von Arbeitszeitmodellen zu. Dabei ist allerdings zu unterschieden zwischen dem „Ob“ und dem „Wie“. Das heißt, die konkrete Länge von Arbeitszeiten darf mitbestimmungsfrei vom Sicherheitsunternehmer einseitig festgelegt werden. Wie diese Arbeitszeiten jedoch konkret verteilt werden, muss einvernehmlich mit der Arbeitnehmervertretung abgesprochen werden. Also steht dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei den Fragen zu, an welchen Tagen, gegebenfalls auch Feiertagen, tagsüber oder nachts gearbeitet werden soll. 

§ 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG sieht dazu auch ein Initiativrecht des Betriebsrates vor. Demnach darf das Gremium nicht nur über Vorschläge des Arbeitgebers beraten, sondern auch eigenverantwortlich Vorschläge erbringen. Können die beiden Parteien ihre Interessen nicht miteinander in Einklang bringen und einen Kompromiss finden, sieht § 87 Abs. 2 BetrVG vor, dass eine Einigungsstelle in der jeweiligen Angelegenheit entscheidet.

Siehe für ausführlichere Informationen:

3.7 Sonn- und Feiertagsarbeit 

In § 9 ArbZG ist die sogenannte Sonn- und Feiertagsruhe kodifiziert. Arbeitnehmer sollen nach dieser Vorschrift an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen von 0 bis 24 Uhr nicht beschäftigt werden. In § 10 ArbZG wird allerdings dieser Grundsatz für bestimmte Branchen wieder aufgeweicht. Laut § 10 Abs. 1 Nr. 13 ArbZG dürfen Arbeitnehmer im Bewachungsgewerbe und bei der Bewachung von Betriebsanlagen auch an Sonn- und Feiertagen beschäftigt werden. 

Das begriffliche Verständnis von „Bewachung“ im Sinne des Arbeitszeitgesetzes ist hier deckungsgleich mit der gewerblichen Norm § 34a Gewerbeordnung (GewO). In der GewO ist Bewachung definiert als die gewerbliche Bewachung fremden Lebens (Personenschutz) oder Eigentums (Objektschutz). Bewachen meint vorbeugende und verhütende Maßnahmen zur Abwehr feindlicher Fremdeinwirkungen.

Für vertiefende Informationen: 

3.8. Nach- und Schichtarbeit

Korrespondierend zur Arbeit an Sonn- und Feiertagen müssen bestimmte Dienstleistungen im Sicherheitsgewerbe häufig auch nachts erbracht werden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Schutzobjekt „rund um“, 24 Stunden am Tag observiert muss. Etwa kerntechnische, chemische und militärische Anlagen oder Personen des öffentlichen Lebens. In § 2 Abs. 3 ArbZG ist Nachtarbeit wie folgt definiert: Nachtzeit im Sinne dieses Gesetzes ist die Zeit von 23 bis 6 Uhr, in Bäckereien und Konditoreien die Zeit von 22 bis 5 Uhr. Wenn ein Sicherheitsmitarbeiter zum Beispiel einer Schicht von 16 bis 24 Uhr nachgeht, so liegt davon eine Stunde in der Nachtzeit. Oder noch gravierender sind Arbeitszeitmodelle, welche einen Schichtwechsel erst in den Morgenstunden vorsehen.

Im Unterschied zur Arbeit am Tage, gelten strengere Schutzvorschriften für Arbeitnehmer. Dies liegt zum einen mit der erhöhten körperlichen Belastung. So steigert Nachtarbeit dauerhaft das Risiko für bestimmte Erkrankungen (zum Beispiel am Herz-Kreislauf). Zum anderen ist Nachtarbeit auch nur begrenzt mit der gesellschaftlichen Lebenstaktung vereinbar und soziale Begegnungen werden erschwert.

Um diese Mangel zu kompensieren, sieht das Arbeitszeitgesetz vor, dass Nachtarbeit höher „angemessen“ bezahlt oder mit zusätzlichen Urlaubstagen kompensiert werden muss, § 6 Abs. 5 ArbZG. Was heißt „angemessen“? Der Gesetzgeber legte sich nicht auf konkrete Werte fest. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) bezog zu dieser Frage Stellung. Nach einem Urteil vom 9. Dezember 2015 (Az. 10 AZR 423/14) heißt „angemessen“ nicht weniger als 25 Prozent zusätzlich vom ursprünglichen Bruttostundenlohn. Bei dauerhafter Nachtarbeit soll der Ausgleich mindestens 30 Prozent vom Bruttostundenlohn betragen. Einzel- oder gesamtvertraglich können selbstverständlich höhere Sätze vereinbart werden.

Gemäß § 6 Abs. 2 ArbZG sind strengere Ausgleichsfristen vorgesehene, falls in Abweichung zu § 3 ArbZG (siehe Grundsatz des Acht-Stunden-Tages, Punkt 3.4) längere Schichtmodelle praktiziert werden. Danach ist Mehrarbeit innerhalb von vier (!) anstelle von 24 Wochen auszugleichen.

Schließlich sind Nachtarbeitnehmer gemäß § 6 Abs. 3 ArbZG dazu berechtigt, sich vor Beginn der Beschäftigung und danach in regelmäßigen Zeitabständen von nicht weniger als drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen. Bei über 50-Jährigen verkürzt sich die Frist auf ein Kalenderjahr. Sofern sich aus arbeitsmedizinischen Untersuchung ergibt, dass die Sicherheitskraft nicht geeignet für Arbeiten während der Nachtzeit ist, muss auf Verlangen des Sicherheitsmitarbeiters ein Tagesarbeitsplatz zur Verfügung gestellt werden, § 6 Abs. 4 ArbZG. Dasselbe kann sich aus der Betreuung schwer pflegebedürftiger Angehöriger oder aufgrund von Sorgeverpflichtungen für ein Kind unter zwölf Jahren ergeben.

3.9 Erfassung von Arbeitszeiten

Nach einem Aufsehen erregenden Beschluss des BAG vom 13. September 2022 sind Sicherheitsunternehmer dazu verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer angestellten Mitarbeiter minutiös zu erfassen (BAG, Urteil vom 13.09.2022, Az. 1 ABR 22/21). Dies beruht wiederum aufgrund einer europarechtskonformen Auslegung, welche der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einer Entscheidung aus dem Jahr 2019 vorgezeichnet hat (EuGH, Urteil vom 14.05.2019, Az. C-55/18). Gesetzlich normiert ist die arbeitgeberseitige Pflicht zur Erfassung der Arbeitszeit in § 3 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG).

Für die Praxis bedeutet dies: Sicherheitsmitarbeiter und Angestellte in anderen Berufszweigen müssen ihre geleistete Arbeitszeit genau dokumentieren. Zum Beispiel elektronisch über ein Zeiterfassungsprogramm. Anhand der Dokumentation sollen Beschäftigungsverbote (siehe Punkt 3.4 oder 3.7) besser umgesetzt werden. Sogenannte Vertrauensarbeitszeit wurde durch die Rechtsprechung allerdings nicht abgeschafft. So ist es beispielsweise Sicherheitskräften aus dem Homeoffice nach wie vor möglich, auf Basis gegenseitigen Vertrauens geleistete Arbeitsstunden einzureichen.

Siehe auch: