Kurzerklärung

Als Verhältnismäßigkeit bezeichnet man im engeren Sinne, dass Zweck und Mittel in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssen. Dieses Prinzip spielt bei der Anwendung von Rechtsnormen eine wichtige Rolle. Es muss in nahezu jeder Vorschrift mitgedacht werden, die die Rechte einer anderen Person negativ beeinträchtigt.

Die Verhältnismäßigkeit ist im Verteidigungsrecht nach §§ 227, 228, 904 BGB und §§ 32ff. StGB von enormer Bedeutung. Der Grundsatz verhältnismäßigen Handelns ist in den einzelnen Verteidigungsrechten unterschiedlich stark ausgeprägt. Des Weiteren spiegelt sich das Prinzip im Grundgesetz wieder.

Verhältnismäßigkeit in der Notwehr

Eine strenge Abwägung zwischen Mittel und Zweck ist in § 32 StGB nicht gefordert. Wer sich vor einem Angriff verteidigt, muss zwar grob wissen, wie schwer die Verluste des Angriffs im Vergleich zu denjenigen sind, die durch die Verteidigungshandlung beim Täter hervorgerufen werden. Anders als im Notstandsrecht ist aber keine Gleichwertigkeit im strengen Sinne gefordert.

Wer von § 32 StGB gebrauch macht, muss lediglich „sozialethische Einschränkungen“ berücksichtigen. In Bagatellfällen, wie harmlosen Beleidigungen oder Obstdiebstahl, ist von einer körperlichen Verteidigung abzusehen. Anders ausgedrückt: die Verteidigung darf nicht in einem „krassen Missverhältnis“ zur Bedrohungslage stehen.

Verhältnismäßigkeit im Notstandsrecht

Im Notstandsrecht gemäß § 34 StGB müssen Zweck und Mittel jedoch in einem ausgeglichen, das heißt angemessenen, Verhältnis zueinander stehen. Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit ist uneingeschränkt zu beachten.

Verhältnismäßigkeit als ungeschriebenes Verfassungsprinzip 

Im Grundgesetz ist die Verhältnismäßigkeit nirgendwo ausdrücklich erwähnt.  Das heißt jedoch nicht, dass sie nicht existiert. Im Gegenteil: der Grundsatz ist nach dem Zweck und der Konzeption der Verfassung überall präsent. 

Von herausragender Bedeutung ist das Prinzip bei der Frage, ob Grundrechte verletzt wurden. Jeder Grundrechtseingriff, zum Beispiel Eingriffe in die Meinungs- oder Versammlungsfreiheit bei Verbot einer Demonstration, muss verhältnismäßig sein. 

Ausgenommen ist Art. 1 Abs. 1 GG. Weil die Menschenwürde „unantastbar“ ist, sind Eingriffe in die wichtigste Norm des Grundgesetzes von vornherein ausgeschlossen und entziehen sich einer Betrachtung, ob der Eingriff verhältnismäßig war.