Definition

Unter dem Begriff Schutzwehr bezeichnet man solche körperliche Verteidigungsmaßnahmen, die ausschließlich der Abwehr einer bereits begonnenen Abwehr dient. 

Beispiel: Sicherheitskraft S lenkt einen auf ihn zugehenden Kinnhaken mit einem gezielten Griff in die Schulter des Angreifers A um. 

Abgrenzung zur Trutzwehr

Schutzwehr ist also die Summe an Maßnahmen, welche der Abwendung einer sich bereits realisierenden Bedrohung dient. Dagegen versteht man unter Trutzwehr die Anwendung physischen Zwangs, der über den bloßen Schutz vor einer konkreten Attacke hinausgeht. 

Beispiel: A konnte S einen Faustschlag verpassen und holt zu einem zweiten Schlag aus. Diesen wehrt die Sicherheitskraft durch einen Gegenschlag ab. 

Bei Maßnahmen der Trutzwehr wird dem Angriff regelrecht „getrotzt“ durch einen Gegenangriff. Schutzwehr ist also das mildere Mittel gegenüber der Trutzwehr.

Standort

Die Unterscheidung ist im Zusammenhang mit Rechtfertigungsgründen von Bedeutung. Unter Rechtfertigungsgründe versteht man Gesetze, welche in Ausnahmenfällen die Verletzung fremder Rechtsgüter erlauben. Dazu gehören insbesondere Notwehr und Nothilfe gem. § 32 StGB, Notstand gem. § 34 StGB, Festnahmerecht aus § 127 Abs. 1 StGB sowie §§ 227, 229, 904 BGB.

Besonders § 32 StGB und § 34 StGB stellen das berufliche Rüstzeug und die rechtliche Grundlage einer Wachkraft dar, um sich gegen feindliche Fremdeinwirkungen legal zu Wehr zu setzen. Anhand eines Rechtfertigungsgrundes entfällt die Rechtswidrigkeit und damit die Strafbarkeit der Anwendung physischen Zwangs wegen Körperverletzungsdelikten gem. §§ 223 bis 226 StGB oder auch Nötigung gem. § 240 StGB. 

Erforderliche Verteidigung im Rahmen der Notwehr

Allerdings erlauben Rechtfertigungsgründe im Falle eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs beziehungsweise einer solchen Gefahr nicht schrankenlos, sich zur Wehr zu setzen. 

Die Grenzen zulässiger Verteidigungsmaßnahmen wird im Falle der Notwehr durch gewisse Voraussetzungen beschränkt. Diese werden unter den Begriffen „Geeignetheit, Erforderlichkeit und Gebotenheit“ zusammengefasst (siehe für eine detaillierte Beschreibung die Artikel Notwehr, Notstand).

Die Unterscheidung zwischen  Schutz- und Trutzwehr ist auf Ebene der Erforderlichkeit von Bedeutung. Danach ist nur die Maßnahme gerechtfertigt, die unter gleichermaßen geeigneten Mitteln das Mildeste darstellt. Das heißt, der Angegriffene darf gegen den Angreifer im Sinne der Erforderlichkeit einerseits so effektiv wie möglich vorgehen. Andererseits muss auch dasjenige Mittel ausgewählt werden, dass beim Angreifer die geringsten Verluste hervorruft. Denn auch die Rechtsgüter des Angreifers, hier seine körperliche Unversehrtheit und Gesundheit, sind seinerseits schutzwürdig. 

Generell sind Maßnahmen der Trutzwehr effektiver als Schutzwehr. Rechtlich gesehen sind die Mittel nicht gleichwertig, sodass auch Trutzwehr grundsätzlich gestattet ist. 

Einschränkungen der Notwehr durch die „Gebotenheit“

Allerdings sind gegebenfalls durch das Kriterium der „gebotenen Verteidigung“ Einschränkungen vorzunehmen. Der Effektivitätsgrundsatz darf nicht zu einer uferlosen Ausweitung des „scharfen Schwertes“ der Notwehr führen. Demnach ist auch die erforderliche Verteidigung ausnahmsweise illegitim, wenn das Interesse am Erhalt des angegriffenen Rechtsgutes in einem „krassen sozial-ethischen Missverhältnis“ zu den durch die Verteidigungshandlung hervorgerufenen Verluste auf Seiten des Angreifers. Mit anderen Worten soll sprichwörtlich nicht „mit Kanonen auf Spatzen geschossen werden“.

So sind etwa die Grundsätze zur gebotenen Verteidigung insbesondere beim Einsatz von Schusswaffen i.S.d. § 1 WaffG besonders ausgeprägt. Nach der Rechtsprechung des BGH dürfen zur Tötung von anderen Menschen geeignete Waffen nur unter strengsten Voraussetzungen angewandt werden. Danach ist gemäß folgendem Schema vorzugehen: 

  1. Präsentieren der Waffe
  2. Androhung, einen Schuss abzugeben
  3. Abgabe eines Warnschusses
  4. Schuss in nicht lebensgefährliche Körperregionen
  5. Finaler Rettungsschuss

Erst nachdem Schritt 1 erfolglos probiert wurde, darf zu Schritt zwei und danach zu Schritt 3 u.s.w. gegriffen werden. Dahinter verbirgt sich letztlich eine spezielle Ausprägung des Grundsatzes Ausweichen -> Schutzwehr -> Trutzwehr. 

Ausnahmen

Jedoch muss dieses Schema mit Rücksicht auf die Umstände des Einzelfalls nicht immer dogmatisch befolgt werden. Wenn der Schusswaffenträger zum Beispiel nur eine einzige Patrone im Lauf hat, wäre es ihm nicht zumutbar, diese Patrone für einen Warnschuss zu benutzen. Zumal dadurch das Risiko einer Eskalation gegebenfalls sogar gesteigert und die Gefahr für den Waffenträger noch erhöht würde. Ebenso darf in konkreten lebensbedrohlichen Situationen auf das härteste Mittel eines Rettungsschusses zurückgegriffen werden. 

Interessenabwägung bei Notständen gem. § 34 StGB

Im Falle einer Gefahr i.S.d. § 34 StGB gelten durchaus strengere Maßstäbe zu beachten als bei der Notwehr. Es bedarf einer strengen Güterabwägung. Die Tötung eines anderen Menschen ist kategorisch einer Abwägung entzogen. Die Würde des Menschen verbietet eine Abwägung von Leben gegen Leben. Doch auch nicht-tödliche Verteidigungsmaßnahmen sind grundsätzlich so zu handhaben, dass das Erhaltungsinteresse des Angegriffenen stets die Güter des Angreifers überwiegen, welche durch eine Verteidigungshandlung hervorgerufen würden. 

Eine solche strenge Güterabwägung kennt § 32 StGB nicht. Dieser wird lediglich durch sozial-ethische Maßnahmen eingeschränkt. Daher sind gerade bei Rechtfertigungssituationen nach § 34 StGB Maßnahmen der Schutzwehr vorzugswürdig.