Das Notwehrrecht gem. § 32 StGB kann bei Eingreifen besonderer Umstände darauf verkürzt sein, dass der Angegriffene lediglich ausweichen und sich also nicht durch Anwendung körperlichen Zwangs verteidigen darf. 

Standort

Notwehr beziehungsweise Notwehrhilfe bezeichnet einen wichtigen Rechtfertigungsgrund aus dem Strafrecht. Gemäß § 32 StGB entfällt die Rechtswidrigkeit eines für sich genommen strafbaren Verhaltens. Maßnahmen zur körperlichen Verteidigung greifen in die Rechtsgüter der körperlichen Unversehrtheit und Gesundheit des Angreifers ein. Dieses Verhalten wird insbesondere durch die Körperverletzungsdelikte gemäß §§ 223 ff. StGB unter Strafe gestellt. Im Falle einer bestehende Notwehrlage, einem tauglichen Notwehrmittel und Notwehrwillen entfällt jedoch die Rechtswidrigkeit der Handlung und damit auch dessen Strafbarkeit. 

Die Notwehrlage setzt einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff voraus. Also eine menschlich herbeigeführte Bedrohung gegen ein Rechtsgut, welche seinerseits rechtswidrig ist und entweder unmittelbar bevorsteht, bereits begonnen hat oder noch andauert. 

Bei Vorliegen dieser Voraussetzung darf sich der Angegriffene im Regelfall anhand der geeigneten, erforderlichen und gebotenen Verteidigung schützen. 

Hintergrund

Die Anwendung körperlicher Zwangsmittel sind – auch im Rahmen der eigenen Verteidigung – nicht geboten, wenn sie in einem „krassen, sozial-ethischen Missverhältnis“ zum Interesse an Erhaltung des angegriffenen Rechtsgutes stehen. Das im Vergleich zu anderen Rechtfertigungsgründen wie § 34 StGB weitreichende Notwehrrecht erfährt damit eine Art Korrektur. Anhand von moralisch-ethischen Gerechtigkeitsgrundsätzen soll eine uferlose Ausweitung der Verteidigung verhindert werden. 

Fallgruppen einer Einschränkung

Grundsätzlich darf sich der Angegriffene durch Schutzwehr oder Trutzwehr des Angriffs erwehren. Allerdings sind seine Befugnisse zunächst einmal auf ein Ausweichen verkürzt, wenn die Anwendung physischen Zwangs Ausdruck eines krassen Missverhältnisses wäre. 

So ist zum Beispiel eine Verteidigung nicht geboten, wenn sie sich gegen erkennbar schuldlos Handlende richtet. Angriffen von Kindern oder bis zur Schuldunfähigkeit offensichtlich berauschten Personen muss ausgewichen werden. 

Das Notwehrrecht ist ebenso verkürzt, wenn der Angriff durch sorgfaltswidriges, an der Grenze zur Strafbarkeit liegendes Verhalten vorwerfbar provoziert wurde. Wer etwa wechselseitig Beleidigungen austeilt, muss damit rechnen, dass die Situation gegebenfalls eskaliert und die andere Partei zu einem Faustschlag ausholt. Dieser darf nicht sofort mit einem eigenen Schlag beantwortet werden. Der Provokateur ist daran gehalten, auszuweichen und sämtliche Fluchtmöglichkeiten auszuschöpfen. Nur in aussichtslosen Situationen dürfen Schutzwehr- und dann Trutzwehrmaßnahmen folgen. 

Wenn bereits das fahrlässige Herbeiführen einer Notwehrlage das Notwehrmittel einschränkt, gilt dies erst recht für die sogenannte „Absichtsprovokation“. Also Fällen, in denen der Angriff sogar absichtlich herbeigeführt worden ist. Wer eine Notwehrlage anstrebt, um unter dem „Deckmantel“ des § 32 StGB vermeintlich straflos Gewalt anzuwenden, ist das Notwehrrecht nach einer vom BGH vertretenden Ansicht sogar generell versagt (vgl. die Urteile BGHSt 48, 207; BGH 5 StR 202/11).